Polly (ehemals "Mrs. No")

Scheu, schwer traumatisiert - die will doch keiner! Meine Polly, damals hieß sie Miss No, galt als schwer vermittelbar. Für sie wurde ein Platz gesucht, wo schon Katzen sind und wo sie einfach mitlaufen kann und Mensch keine Ansprüche an sie stellt.

Ich hatte damals 2 Katzen und entschloß mich, Polly aufzunehmen. Am 23.3.2002 zog sie bei mir ein. Die ersten 2 Jahre habe ich sie fast überhaupt nicht gesehen. Sie lebte während meiner Anwesenheit unter dem Bett und frass oder benutzte die Sandkiste nur, wenn ich nicht da war oder schlief. Einmal pro Jahr mußte ich sie einfangen und zum Tierarzt schleppen, damit sie geschoren wurde, sie ist ein Perser bzw. Perser-Mix. Als ich mal den Eindruck hatte, mit ihr würde was nicht stimmen, habe ich sie auch eingefangen und bin noch mitten in der Nacht zum TA, sie hatte Durchfall und man entdeckte, daß sie FORL hat. Die kaputten Zähne wurden ihr dann gezogen und seitdem ist FORL nicht mehr aufgetreten. Die jährlichen Schertermine wurden um Zahnkontrolle und großes Blutbild erweitert.

Sie begann dann sich Stück für Stück weiterzuentwickeln. Das geht sehr langsam und in ganz kleinen Schritten. Erst hielt sie sich nur im Schlafzimmer auf und es war ganz wichtig, daß sie etwas über dem Kopf hat. Sie liegt also entweder unter dem Bett (heute fast kaum noch), unter einem Stuhl oder unten auf der Bodenplatte vom Kratzbaum. Vertrug sie anfangs nur Whiskas (von allem anderen bekam sie Durchfall) so ist es heute umgekehrt. Felidae und Grau verträgt sie heute supergut und bei Whiskas wird ihr schlecht.

Wenn sie sich einen Platz auserkoren hat, dann liegt sie dort die ganze Zeit und ich kann eigentlich die Stelle nach einigen Wochen nur noch entsorgen. Deswegen war ich auch gar nicht begeistert, als sie sich letzten Sommer mein neues Sofa als Stammplatz auserkoren hat. Ich konnte das dann mit Decken und Laken zum einmüllen entschärfen. Vor einigen Wochen hat sich das aber erledigt, sie wollte auf das Sofa springen und rutschte mit den Beinen auf dem Laminat aus, seitdem verachtet sie das Sofa. Und seitdem ich den großen Teppich im Wohnzimmer gegen einen kleineren ausgetauscht habe, liegt sie gerne auf diesem OHNE etwas über sich zu haben.

Seit neuestem spielt sie mit mir, wenn ich die Spielangel nehme. Auch kleine Fellmäuse und die Möhre haben es ihr angetan und werden mit Grunzen im kleinen Rahmen bespielt. Ihr Blick war die ersten 4 Jahre völlig nach innen gerichtet. Mittlerweile beginnt sie aber, ihre Umwelt wahrzunehmen. Es kommt schon mal vor, daß sie mir leicht um die Beine streift.

Ihre Wahrnehmung der Umwelt führt leider auch dazu, daß sie anscheinend andere Katzen nicht so besonders mag. Sie geht schon mal hin, ohne Vorwarnung und ohne Grund, und haut mit Krallen voll zu. Die anderen müssen eben einen Zacken schneller sein als sie und wissen auch, daß sie ihr nicht zu nahe kommen.

Anfangs habe ich überlegt, wie ich ihr aus ihrem Trauma helfen könnte und habe auch mittlerweile ein größeres Arsenal an Bachblüten herumstehen. Nichts half ihr, nur Zeit! Ich habe sie einfach leben lassen. Katzen, die schmusen kommen, habe ich ja, was macht es da aus, daß es eine gibt, die immer noch vor mir davonläuft, was bei den anderen immer wieder zu erstauntem Hinterherschauen führt?

Die Frage, ob scheue, schwer traumatisierte Katzen schwierig sind, würde ich mit NEIN beantworten. Man hat eine scheue, schwer traumatisierte Katze und hat sie doch nicht. Es ist nur ein Tellerchen mehr hinzustellen, ein Häufchen und 2 Pipiklumpen mehr aus der Sandkiste zu entfernen.

Weiter würde ich sagen, daß es ganz wichtig ist, daß der oder die Halter nicht den ganzen Tag zu Hause sind, damit sich diese Katze auch mal traut, die Wohnung zu erkundigen.

Das einzige Problem, was es zu beachten gilt, ist, daß solche scheuen Katzen nicht an Einzelpersonen gegeben werden. Zum Einfangen des Tieres ist das nicht so günstig und meist sind Freunde oder Nachbarn nicht so gerne bereit, aus Angst gebissen oder gekratzt zu werden, beim Einfangen behilflich zu sein. Dies besonders, wenn es Langhaarkatzen sind, die eigentlich eine aufwendige Fellpflege brauchen.

Aber auch hier habe ich mittlerweile eine Methode gefunden, sie in den Kennel zu bekommen. Das ist zwar etwas stressig für sie und mich, und sie regt sich sehr auf, aber im Endeffekt sucht sie im Kennel Schutz vor mir. Es ist auch ganz wichtig, daß andere Katzen da sind, damit das scheue Tier sieht, daß diese keine Angst vor dem komischen Zweibeiner oder Aufrechtgeher haben. Es gibt, glaube ich, nur einer Art von Katzen, die ich nicht aufnehmen würde, und zwar diese, die Menschen ohne Vorwarnung angreifen. Das wäre mir zu heikel. Aber eine scheue Katze, wo ist das Problem?

(Vermittelt am 23.03.2002)

zur Ehemaligen-Seite